Beckenboden - Frust oder Lust?

Beckenboden - Frust oder Lust?

Es mussten viele Jahre vergehen, ehe ich überhaupt wusste, dass ich einen Beckenboden besitze. Weder im Biologie-Unterricht, noch bei meiner Gynäkologin war dieser je Thema. So kam ich zum ersten Mal mit dem Thema Beckenboden nach der Geburt meines ersten Kindes in Berührung. Doch leider haben mir weder Hebammen, Pflegepersonal oder Ärzt:innen genau erklärt was es damit auf sich hat.

Gut, das hat sich mittlerweile geändert. Es gibt kaum ein Buch über Schwangerschaft und Geburt in dem der Beckenboden keine Erwähnung findet.

Dennoch, die meisten Frauen kommen mit dem Beckenboden in Kontakt im Zuge von Rückbildungsgymnastik, Inkontinenz oder Rückenschmerzen. Tatsächlich kann der Beckenboden aber viel mehr, als Beschwerden verhindern. Nicht ohne Grund wird er auch Lust- oder Liebesmuskel genannt.

 

Was ist der Beckenboden und wo ist er überhaupt?

Du kannst dir den Beckenboden vorstellen wie eine Hängematte die zwischen den beiden Sitzbeinhöckern (quer) und Genital- und Steißbein gespannt ist. Diese Hängematte umgibt und schützt die Organe und verschließt sozusagen den Beckenausgang. Die Muskeln umschließen Mastdarm, After, Vagina und die Harnröhre. Die Beckenbodenmuskeln sind also ziemlich stark und haben eine Menge zu „tragen“. Zusätzlich richtet die Beckenbodenmuskulatur die Wirbelsäule auf. Eine gesunde Beckenbodenmuskulatur ist daher entscheidend, um Verspannungen oder Haltungsschäden vorzubeugen.

 

Wie lerne ich die Beckenbodenmuskeln spüren?

Das ist gar nicht so einfach, denn wie steuere ich Muskeln an, die ich bisher noch nie bewusst eingesetzt habe? Aber keine Sorge, das ist nicht so schwer.

 

Übung 1: Die Beckenschaukel

Beginn mal damit dein Becken zu schaukeln. Die Beckenschaukel ist eine wunderbare Übung, um dein Becken zu aktivieren und deine sexuelle Energie ein wenig anzukurbeln. Lege dich mit dem Rücken bequem auf eine Matte oder eine Decke und stelle deine Beine abgewinkelt auf. Die Arme kannst du seitlich neben dem Körper oder auf deinen Bauch legen. Mache es dir gemütlich, die Position soll sich entspannend anfühlen.
Stelle dir nun vor, dein Becken ist eine Schale mit Wasser. Zuerst ziehst du den Bauchnabel Richtung Boden ein, dabei hebt sich leicht dein Steißbein und deine Beckenschale kippt Richtung Kopf. Du kannst dir vorstellen, wie warmes Wasser aus der Schale über deinen Oberkörper schwappt. Dann drückst du dein Steißbein in den Boden, dein Rücken macht ein leichtes Hohlkreuz und deine Beckenschale kippt Richtung Füße. Das Wasser schwappt über deine Beine. Das wiederholst du jetzt immer wieder als eine gleichmäßig fließende Wellenbewegung und atmest dabei ruhig ein und aus. Du kannst selbst entscheiden, ob du dich in großen Wellen bewegen möchtest oder ob sie so klein sind, dass sie äußerlich gar nicht sichtbar werden. Dein restlicher Körper darf dabei entspannen.

 

Übung 2: Beweg deine Füße mit dem Beckenboden

Lege dich auf den Boden und strecke die Beine hüftbreit aus, deine Zehenspitzen zeigen Richtung Decke. Dann drehst du deine Beine aus dem Hüftgelenk heraus, sodass deine Zehen sich mal berühren und mal nach außen zeigen. Versuche die Bewegung sogar aus deinem Beckenboden heraus zu steuern.
Dann lege dich wieder in die Ausgangsposition und ziehe nur die Zehen zu dir heran und strecke sie danach von dir weg.

 

Übung 3: Pinkelpause

Eine sehr „klassische“ Übung, die du möglicherweise kennst, ist folgende: Versuch mal, dir vorzustellen deinen Urinstrahl zurückzuhalten (ACHTUNG: dieses Bild dient nur dazu, dass du dir besser vorstellen kannst, wie sich das anfühlt. Du solltest diese Übung nicht tatsächlich beim Klogehen machen, das ist sehr ungesund für die Blase).
Wenn du diese Muskeln ansteuern kannst, bist du schon auf dem richtigen Weg. Versuche nun, ob du diese Muskeln noch mehr anspannen kannst. Und dann spanne wieder etwas weniger. Achte darauf, dass du dabei den Po und die Beine nicht anspannst.
Spanne die Beckenbodenmuskeln etwa 3 Sekunden lang richtig fest an. Dann entspanne sie langsam wieder. Wiederhole diese Übung mehrere Male – wichtig ist dabei es langsam zu machen. Denn so spürst du mehr.

 

Im Internet finden sich zahlreiche weitere Übungen wie Sqauts, die Brücke oder spezielle Yoga-Positionen. Ich persönlich kann extra Übungen nur sehr schwer in meinen Alltag integrieren, daher bevorzuge ich Methoden, die ich „nebenbei“ anwenden kann. Finde heraus was für dich das richtige ist und wie du gerne deinen Beckenboden trainieren willst.

 

Anspannung oder Entspannung?

Sehr oft wird beim Beckenbodentraining nur die Anspannung geübt (so wie in Übung 3), meist über die äußeren Muskeln, die die Schließmuskeln bewegen. Das kann zu dauerhafter Spannung im Becken führen, die viele negative Folgen nach sich ziehen kann. Eine zu feste Muskulatur kann zum Beispiel die Vagina so eng machen, dass dies Schmerzen bei Penetration oder auch nur dem Einführen eines Tampons hervorruft oder es kann andere Organe beeinträchtigen.

Die Beckenbodenmuskulatur steht in Verbindung mit dem ganzen Körper. Das bedeutet aber auch, dass dauerhafte Anspannung im Becken das ganze System beeinflussen kann. Und umgekehrt wird unsere Beckenbodenmuskulatur auch durch den Rest unseres Körpers beeinflusst.

Wusstest du zum Beispiel, dass dein Kiefergelenk über Nerven und Faszienstränge mit deinem Becken verbunden ist? Das heißt, wenn dein Kiefer entspannt, entspannst du auch die Muskeln um deine Vagina. Wenn du beispielsweise beim Sex ein langgezogenes „aaaaaah“ von dir gibst, öffnet sich der Mund, dadurch entspannen sich die Kiefer- und damit auch die Beckenbodenmuskulatur. Durch die Entspannung der Beckenbodenmuskulatur steigt dein Lustempfinden.

Das Ziel eines guten und ganzheitlichen Beckenbodentrainings sollte Elastizität sein. Damit erreichst du einen kräftigen und gut durchbluteten und beweglichen Beckenboden, der die Beckennerven leitfähig und lebendig hält und so dein Lustempfinden steigert. Wichtig ist daher, nicht nur das Anspannen zu trainieren, sondern auch das Entspannen aktiv zu üben.

 

Wie lerne ich entspannen?

Das geht am besten über die Anspannung: also die Beckenbodenmuskeln einmal 3 Sekunden lang stark anspannen und dann langsam entspannen. Nach der hohen Spannung ist die Entspannung tiefer. Du kannst so immer wieder zwischendurch für Entspannung im Beckenboden sorgen.

Hilfreich ist auch, tief in den Bauch ein- und auszuatmen. Beim Ausatmen ziehen sich die Muskeln mit Bauch und Becken etwas zusammen. Probiere, beim Anspannen der Beckenbodenmuskeln auszuatmen. Leg dazu die Hand auf den Bauch, das hilft dich besser zu spüren.

 

Was hat der Beckenboden mit Sex zu tun?

Das Spiel mit Anspannung und Entspannung ist ein zentrales Mittel, um deine Erregung zu steigern. Wenn du deine Muskeln bewegst, fördert das die Durchblutung, dadurch wird deine Vagina feuchter und du spürst mehr. Je größer der Spielraum zwischen Spannung und Entspannung ist, desto aktiver wird dein Beckenboden und umso besser können die Muskeln „zupacken“ und wieder loslassen. Du kannst dabei auch aktiv deinE Partner:in miteinbeziehen. Beispielsweise wenn ein Finger oder Penis in deiner Vagina ist, kannst du versuchen abwechselnd anspannen und wieder loslassen.

Viele Frauen* berichten davon, dass das Training ihres Beckenbodens zu einer Verbesserung ihres Sexuallebens führt. Durch die verbesserte Körperwahrnehmung können sie Lust intensiver erfahren und spüren. Je stärker der Beckenboden ist, desto besser ist er auch durchblutet – und auch die Geschlechtsorgane. Dadurch steigt die Lust und Orgasmen fühlen sich intensiver und stärker an.

 

Was bringen Vaginalkugeln für den Beckenboden?

Liebeskugeln, Beckenbodenkugeln oder auch Vaginalkugeln genannt, sind kleine Kugeln zum Einführen in die Vagina. Sie sind entweder aus Silikon, Metall oder auch aus Stein gefertigt. Die meisten Vaginalkugeln besitzen ein Rückholbändchen zum einfachen Herausziehen. Es gibt Vaginalkugeln in verschiedenen Größen und Gewichten.

Im Female Things Shop findest du die Smartballs. Die Kugeln enthalten ein frei bewegliches Gewicht im Inneren, das bei jeder deiner Bewegungen ins Rollen kommt und damit deine Muskulatur zum Kontrahieren bringt.

Nicht zu empfehlen ist es, die Vaginalkugeln über mehrere Stunden hindurch zu tragen. Der Beckenboden muss sich sonst ständig anspannen, was wiederum zu Verspannungen führen kann. 15 bis 20 Minuten reichen zu Beginn völlig aus.

 

Wie kann ich mit Vaginalkugeln meinen Beckenboden stärken?

Versuche dich zu Beginn im Training der Wahrnehmung zu üben. Am besten machst du das im Liegen. Führe die Kugeln in deine Vagina ein und versuche sie mit den Muskeln deines Beckenbodens zu „umarmen“. Lass wieder los. Dann wieder umarmen. Mal fester, mal weniger fest.

Versuche die Vaginalkugeln in dich „hineinzusaugen“ und dann sie sanft nach außen wandern zu lassen. Ziehe dafür leicht an dem Rückholbändchen an. Achte darauf was du wahrnimmst.

 

Für das „Training“ mit den Vaginalkugeln empfehle ich, dass du dir einen Modus überlegst, der gut in dein Alltagsleben integrierbar ist.

Hier ein Beispiel, wie ich regelmäßig die Vaginalkugeln verwende: Mein Ablauf in der Früh ist jeden Tag der gleiche. Ich stehe auf, gehe auf die Toilette und führe dann die Kugeln ein. Dann putze ich mir die Zähne, wecke die Kinder auf, bereite das Frühstück und die Jause zu. Nach dem Frühstück (das wir aus Zeitgründen meist so halb im Stehen einnehmen) gehen die Kinder zur Schule. Ich räume noch kurz die Küche auf und gehe dann duschen. Nach dem Duschen nehme ich die Kugeln wieder heraus, reinige sie und lege sie wieder bei der Toilette bereit für den nächsten Tag. So komme ich – ohne groß darüber nachdenken zu müssen – zu einem regelmäßigen Training von 20 Minuten.

 

Vaginalkugeln und Schwangerschaft

Eine Schwangerschaft ist eine Belastung für den Beckenboden, weil er das Gewicht des Babys tragen muss. Zusätzlich wird das Geflecht aus Muskeln, Bändern und Bindegewebe lockerer und weicher. Ein elastischer Beckenboden kann dazu beitragen, die Geburt zu erleichtern. Daher geht es in der Schwangerschaft vor allem darum, das Empfinden und das Gefühl für den eigenen Beckenboden zu stärken, ohne ihn zu stark zu trainieren. Ein wenig Training ist aber trotzdem empfehlenswert, um Rückenschmerzen vorzubeugen - beispielsweise mit Vaginalkugeln.

Nach der Geburt kann es sein, dass sich dein Beckenboden etwas taub anfühlt, auch ein Druckgefühl auf dem Damm ist nichts Ungewöhnliches. Daher solltest du es langsam angehen lassen. Mit Atemübungen, bei denen Du den Beckenboden bewusst an- und wieder entspannst, kannst du nach Absprache mit deiner Hebamme oder Ärzt:in. Mit allen anderen Übungen solltest du nach einer natürlichen Geburt jedoch sechs bis acht Wochen, nach einem Kaiserschnitt acht bis zehn Wochen warten.

Zu Beginn reicht es vollkommen aus, wenn Du die Kugeln täglich 15 Minuten bei ganz normalen Alltagstätigkeiten trägst. Wichtig ist, dass die Gewichte in ihrem Inneren dabei in Bewegung bleiben, damit die Beckenbodenmuskulatur auch wirklich trainiert wird. Duschen, Einkaufen oder Aufräumen sind also perfekt dafür geeignet, deinem Beckenboden ganz nebenbei etwas Gutes zu tun.

 

Hilft Beckenbodentraining gegen Inkontinenz?

Viele Frauen* leiden zumindest gelegentlich an unkontrolliertem Harnverlust. Im höheren Lebensalter sind steigt die Zahl der Frauen*, die von Inkontinenz betroffen sind. Doch schon ein wenig Beckenbodentraining kann helfen, wieder mehr Kontrolle über die Blase zu erlangen.

Die häufigste Form der Inkontinenz ist die sogenannte Belastungsinkontinenz, das bedeutet die betroffenen Frauen* verlieren Urin bei körperlicher Belastung, wenn Druck im Bauch- und Beckenraum entsteht. Beispielsweise beim Lachen, Husten, Niesen oder Heben von schwereren Gegenständen. Als Ursache gelten - neben Schwangerschaften und Geburten - ein sinkender Östrogenspiegel, der auch zu einer Schwächung der Beckenbodenmuskulatur führen kann.

Hat der Beckenboden im Laufe des Lebens an Elastizität verloren, hilft kurzes, tägliches Training (beispielsweise mit Vaginalkugeln) um diesen wieder zu stärken. Wichtig ist, dass das Training über einen gewissen Zeitraum durchgehalten wird. Erst nach etwa drei Monaten werden bei Belastungsinkontinenzen Erfolge spürbar. Daher gilt auch hier: Versuche die Übungen möglichst gut in deinen Alltag zu integrieren: Spanne und entspanne deinen Beckenbodenmuskeln bei verschiedenen Tätigkeiten. Beim Busfahren, beim Kochen, beim Fernsehen, beim Aufräumen. So schaffst du es, das Training über einen längeren Zeitraum durchzuhalten, ohne zeitlichen Zusatzaufwand.

 

Ein starker Beckenboden hilft nicht nur Inkontinenz und Rückenschmerzen vorzubeugen, er unterstützt auch ein bewussteres Körpergefühl, er kann uns jede Menge Lust bescheren. Es lohnt sich allemal dieser Muskelgruppe ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken.

 

 

 

 

 

Zurück zum Blog

Hinterlasse einen Kommentar